Geschichte

Die Geschichte des Schleicherlaufens

Über Ursprung und Hintergrund des „Telfer Schleicherlaufens“ gibt es mangels eindeutiger Quellen widersprüchliche Hypothesen und Mutmaßungen. Zum einen werden in all diesen Fasnachten vorchristliche Wurzeln bzw. Reste alter Fruchtbarkeitsrituale, der Beschwörung von Totengeistern oder eines Frühlingskultes zur Winteraustreibung und ähnliches vermutet. Andere Meinungen, die mehr zum „Mythos der Maske als Mittel der Überbrückung gesellschaftlicher und moralischer Schranken“ tendieren, siedeln die Entstehung der Fasnachtsbräuche, mit Hilfe derer die Landbevölkerung höfische Feste nachzuahmen und zu parodieren trachtete, ins Spätmittelalter an. Obwohl die wahren Hintergründe damit mangels gesicherter Forschung jeglicher wissenschaftlichen Seriosität entbehren müssen und im Dunkeln liegen, ist unbestreitbar, dass die dominierenden Elemente wie Masken, Schauspiel, Tanz und intensives Gruppenerlebnis mit ihrer zwanghaften Faszination über eine lange Tradition verfügen.

Über die Frühzeit der Fasnacht ist nachweisbar, dass bereits um 1600 für ganz Tirol, also auch für das Gericht Hörtenberg bzw. Telfs Fasnachtsverbote und –bewilligungen ergangen sind. Ein im Pfarrarchiv verwahrter Ablassbrief belegt für das Jahr 1749 ein mehrtägiges Fasnachtstreiben in Telfs. Nach einem Gerichtsakt aus dem Jahre 1768 (Tiroler Landesarchiv, Verfachbuch, Gericht Hörtenberg) wurde „Jacobus Schaihring… (weitere Namen sind nicht mehr zu enträtseln) zu zwei täg in den Kherker geworfen bei wasser und brod, dieweil er im Maskererlauffen in Telfs sich recht ergerlich benommen had“. Aus dem Jahre 1830 ist ein ausführlicher Schriftwechsel zwischen dem F.B. Ordinariat Brixen und dem k.k. Landes- Grubernium zu Innsbruck bzw. dem Kreisamt im Oberinnthale zu Imst und dem Landesgericht Telfs sowie dem Dekanat Flaurling und dem Pfarramt Telfs aktenkundig. Daraus geht hervor, dass die Hauptgruppe der Telfer Fasnacht – Schleicher, Laninger, Bären u. dgl.- damals schon vorhanden waren.

In der Folge, vor allem um die vorletzte Jahrhundertwende, erhielt das Schleicherlaufen sodann jene Ausformung, wie sie im wesentlichen heute noch zu erleben ist:

Am noch nachtdunklen Morgen des Aufführungstages wird die Sonne durch den Ort getragen, um – verbunden mit beschwörenden Reimen – für gutes Wetter zu bitten.Dem am späten Vormittag, nach dem Einholen der „Schleicher“ – mit Fiakern und dem Aufmarsch der „Wilden“ durch den Ort, beginnenden Fasnachtszug selbst reiten mehrere Herolde in historischen Trachten voran, die die Fasnacht mit ihrem Ladspruch ankündigen.

Ihnen folgen die Musibanda, das ist die verkleidete Marktmusikkapelle, und die 4 Jahreszeiten, eine ruhige Gruppe aus 12 Reitern mit der beeindruckenden Darstellung von Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Die „Schleicher“ bilden den Grundstock der Telfer Fasnacht. Die farbenprächtigen Gestalten, die in Samt und Seide gewandet sind, große Schellen umgehängt haben und individuell kunstvoll gestaltete Hüte tragen, stellen die Hauptfiguren dar. Sie schreiten würdevoll heran und hüpfen sodann in rituell anmutigen Tanzschritten einen „Kroas“ (Kreis). Eine Innengruppe setzt sich aus dem harlekinartig gekleideten Laternträger, dem Goaßer, weiters aus Tuxer und Tuxerin, Senner und Sennerin sowie Wirt und Kellnerin zusammen.Geschichte der Telfer Schleicher

Das Gegenstück der farbenfrohen Schleicher sind die unter Baumbart behangener Kleidung und Holzmasken urhaftig anmutenden „Wilden“ mit dem in einem Holzfass mitgeführten lärmenden „Panzenaff“. Die Wilden treten sowohl als Furcht erregende Rotte auf, sie machen sich aber auch als Ordner des Zuges nützlich.

Die Laninger parodieren die früher als Landplage gefürchteten Dörcher oder Karrnerleut. Demgemäß führen sie den traditionellen Plachen bestückten Laningerkarren und als ihr Kind den „Naz“ mit – eine mehr als 100 Jahre alte Zigaretten rauchende, Alkohol trinkende und daraufhin immer wieder sich erbrechende Puppe, die im Laufe der Zeit als leblose Fasnachtsfigur gleichsam Symbolcharakter erlangt hat. Das Naz-Ausgraben am Dreikönigstag (nach dem fünfjährigen Intervall) bildet für die Große Fasnacht den offiziellen Start, mit dem Naz-Eingraben und einer Totenehrung findet das ausgelassene Treiben am jeweiligen Fasnachts-Dienstag für die nächsten fünf Jahre wieder Ruhe.

Eine zahlenmäßig ebenfalls sehr starke Gruppe stellen die Bären und Exoten das. Mit ihren abwechslungsreichen fremdländischen Kostümen und Tierfiguren – darunter einem lebensgroßen Elefanten, einem Kamel und einer Schildkröte, in der genauso wie hinter der übrigen Menagerie ein Fasnachtler steckt – bieten sie ein buntes Bild und begeistern mit ihren vorgeführten akrobatischen Kunststücken.

Als erste Gruppe des karnevalistischen Teiles der Fasnacht treten dann auf ihrem Wagen die Vogler auf. Von ihnen und von den weiteren auf durchwegs theatralisch dekorierten Wägen agierenden Gruppen des langen Zuges werden das Dorfgeschehen und aktuelle Ereignisse aus aller Welt mit satirischen Sprüchen und Spielszenen aufs Korn genommen. In treffenden und oft recht bissigen Versen wird mit viel Zivilcourage Volksjustiz geübt, wobei manch versteckte Text verfassende Talente und komödiantischen Begabungen dazu geführt haben, dass all diese Wägen oftmals als „Schaubühnen auf Rädern“ bezeichnet wurden.

Gerade dieser lautstarke zweite Teil des Schleicherlaufens, bei dem im Gegensatz zu anderen großen Fasnachten das Wort die überwiegende Rolle spielt und das Darstellerische sowie Humor und Kritik im Vordergrund stehen, stellt ein Musterbeispiel gelebten und gemeinschaftsbelebenden Brauchtums dar.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sowohl bei den mehr oder weniger stummen Gruppen als auch bei den sich besonders schauspielerisch präsentierenden Wägen stets viele verborgene schöpferische Phantasien und Kräfte zum Vorschein gekommen sind. Nicht selten haben aber auch namhafte Künstler – Maler, Grafiker, Bildhauer, Dichter, Musiker … – zum faszinierenden Fasnachtszauber, dem Telfer Schleicherlaufen, wertvolle Beiträge beigesteuert.

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